"Dein Vater ist doch Ami", habe ich noch als Kindheitserinnerung von nicht nur einem Spielkameraden im Ohr. Genauso häufig den "besser informierten" Konter anderer Sandkasten-Kollegen: "Nein, Russe", wussten die von ihren schlauen Eltern. Sagte ich daraufhin: "Nein, Ukrainer", kam ein "Russe, sage ich doch." Ein Teil dieser Kinder von damals lullt sich seit Kurzem sicher in Bettwäsche in den ukrainischen Farben in den Schlaf. In Farben, die sie vor sechs Wochen noch nicht einmal kannte. Vor der gleichen Unwissenheit der hier eingeborenen Bevölkerung und deren Tagesschau-Indoktrinierung müssen derzeit viele Deutsche aus den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion auch in Offenburg passen. Bevor sie hier vor rund 30 Jahren ankamen, waren sie als Deutsche im roten Kommunisten-Reich als "Faschisten" verschrien. Heute müssen sich diese Deutschen in der allgemein geschürten Hetze immer wieder als "Russen", "Putinversteher" oder gar als verlängerter Arm des Kreml beschimpfen lassen. Den wesentlichen Unterschied sehe ich nur darin, dass diese russisch-sprechenden Deutschen sich eben auch Sichtweisen aus russisch-sprachigen Medien über diesen Konflikt einholen können. "Putin-Fan" muss man als besser Informierter noch lange nicht sein oder werden. Der Tenor für mich nach unzähligen Gesprächen: Krieg will keiner! Es kann und darf nicht sein, dass Deutsche aus den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion hier Leidtragende und Opfer einer durch viele Medien geschürten pogromartigen Stimmung werden, die sich gegen alles, was im entferntesten mit Russland zu tun haben könnte, richtet! Mein Vater trug die ukrainische Trysub schon vor vierzig Jahren als Gürtelschnalle. Ich habe sie als Erinnerung an ihn aufbewahrt. Weshalb kann ich ganz normal mit Russen und Russlanddeutschen über diesen Konflikt reden? Ganz einfach: Ich speise mein Wissen nicht einseitig aus der Glotze, kenne die Geschichte und weiß, dass bei der NATO nicht nur Friedenstauben fliegen.