Grundrechte sind unveräußerlich. Das können sie gerne in Artikel 1 des Grundgesetzes nachlesen. Grundrechte können nicht einfach als Privileg für eine Dosis Astra Zeneca oder Moderna verscherbelt werden. "Ertesten" muss man sich Grundrechte ebenfalls nicht. Auch wenn das manche Irrlichter in Berlin, Stuttgart oder bei uns im Rathaus gerne so hätten. Wer so denkt und handelt, hat die freiheitlich-demokratische Grundordnung bereits verlassen. Und wer sich nicht glasklar gegen derartige Verrücktheiten stellt oder schweigt, macht sich mitschuldig. Es ist armselig bis entwürdigend, dass wir uns "Freiheitsstadt" schimpfen und aus dem Rathaus zu diesen eklatanten Angriffen auf das Grundgesetz nicht einmal nur Schweigen zu vernehmen ist, nein, noch schlimmer, man singt im Grunde kritiklos das gleiche Lied. Klappe halten, ja nicht anecken, für das bisschen Grundgesetz bloß nicht unbeliebt machen, scheint die Devise - aufrechter Gang geht anders. Das waren meine Worte. Aber, damit sie nicht glauben, nur der böse AfD-Mann sieht das so, bekommen Sie's gerne noch aus anderer Feder. Als ich den Griffel vor diesen Zeilen gespitzt hatte, war ich über den Text des Chefkommentators Jacques Schuster von der "Welt" gestolpert. "Wochenlang hat die Bundeskanzlerin erklärt, die Grundrechte müssten für alle eingeschränkt bleiben, bis jeder ein Impfangebot erhalten habe. Das ist Unsinn, denn: Die Grundrechte stehen über allem. Dass das nicht selbstverständlich ist, ist besorgniserregend", so Schuster: Man dürfe von einer Regierungschefin erwarten, "wenigstens die ersten 20 Artikel des Grundgesetzes im Kopf zu haben." Deutliche Worte. Ich erwarte das auch von Bürgermeistern und Stadträten. Am 23. Mai hätte das Grundgesetz Geburtstag: ich empfehle "Halbmast" oder Trauerflor-Beflaggung.