Wahlrechtsänderung ist schlichtweg Murks
Nachdem sich im vergangenen Jahr doch so einige grüne Spitzenpolitiker als wahre Bildungs- und Intelligenzbestien geoutet haben, hatte man sich in Stuttgart wohl gedacht: "Was unsere Minister in Berlin können, das bekommen unsere 16-Jährigen in the Länd schon lange hin." Jugendliche in die Gremien, die werden sich schon nicht blöder anstellen, heißt jetzt die Parole. Das könnte sogar teilweise stimmen. Dass man das aktive Wahlrecht damals für 16-Jährige einführte, fand ich bereits falsch. Das ist halt der billige Versuch gewesen, sich neue Wählerschichten zu erschließen. Da ist die gleiche Intention dahinter gewesen, mit der man alles und jedem mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft hinterher wirft. Beim passiven Wahlrecht, das diese Woche im Stuttgarter Landtag geändert wurde, sehe ich noch viel größere Problme. Das ist schlichtweg Murks.
Jugendliche ab 16 sollen künftig in den Gemeinderat und den Kreisrat gewählt werden können. Die pralle Lebenserfahrung eines 18-Jährigen reicht künftig aus, die Verantwortung als Bürgermeister übernehmen zu können. Hier volle Verantwortung und im Jugendstrafrecht gibt es Streicheleinheiten und Samthandschuhe bis 21, bei besonders dicken Tränen noch länger. Das passt nicht!
Es tun sich bei 16-jährigen Räten noch ganz andere Probleme auf: Wenn es längere Sitzungen gibt, müsste der Jugendarbeitsschutz greifen. Der Gemeinderat ist kein Gastronomie- oder Schaustellergewerbe, deshalb ist um 20 Uhr Schluss, dann geht's heim ins Heia. Das Hauptproblem liegt aber bei der beschränkten Geschäftsfähigkeit. Grundsätzlich benötigen die Teenager beim Abschluss von wirksamen Rechtsgeschäften die Zustimmung der Eltern beziehungsweise der Sorgeberechtigten. Ansonsten sind diese Rechtsgeschäfte - oder Beschlüsse - erst einmal "schwebend unwirksam". Wie soll das also künftig funktionieren? Werden dann Mama und Papa ähnlich wie beim begleiteten Autofahren ein Plätzchen neben dem Spross im Gemeinderat bekommen? Oder müssen die Eltern dem Jugendlichen einen Brief mitgeben, wie er bei welchem Tagesordnungspunkt abzustimmen hat? Was ist, wenn die Eltern sich nicht einig sind? Fragen über Fragen...
Taras Maygutiak
Stadtrat in Offenburg